Wie an einem Ort der Geschichte Zukunft entsteht – die Klasse WGW-EA besichtigt die Neckarspinnerei

Am Freitag, 01.07.2022 machte die WGW-EA des Wirtschaftsgymnasiums eine Besichtigung der ehemaligen Spinnerei der Heinrich Otto & Söhne GmbH (HOS) in Wendlingen, Unterboihingen. Gleich nach der Ankunft im Fabrikgelände wurde die Klasse von Herrn Reiner begrüßt und in das Hauptgebäude der Fabrik geführt. Herr Reiner kam als Student bei einem Praktikum zu dem Unternehmen und arbeitete dort fast 40 Jahre lang bis zur Schließung des Unternehmens im Juli 2020. Das Familienunternehmen, welches 204 Jahre bestand und in siebter Generation geführt wurde, bedeutet ihm sehr viel.

Und jetzt? Diese Frage stellte sich nach der Besichtigung des Firmenareals samt Parkanlage, Lagerungshalle und der eigentlichen Fabrik, in der die Wolle zu Garn verarbeitet wurde. Trotz der Schließung des Unternehmens möchten die Besitzer mit den Gebäuden und Anlagen einen Ort für zukünftige Generationen schaffen. So soll der Park, der unter Denkmalschutz steht, erweitert werden und die restlichen Flächen zu Wohnanlagen umgewandelt werden.  Auch das Fabrikgebäude, welches aufgrund seiner historisch bedeutenden Architektur die höchste Stufe des Denkmalschutzes erhielt, soll weiter genutzt werden. So wie früher das Textilgewerbe die Industrie und die Arbeit grundlegend verändert hat, so sollen auch heute Innovationen unser Leben verbessern. Anstelle von Garn wird nun an umweltfreundlichen Batterien, dem Cyberschutz und der Forschung des Max-Plank-Instituts gesponnen, das dort zu Forschungszwecken Räumlichkeiten mieten wird.

Das Unternehmen wurde in dem geschichtsträchtigen Jahr 1816 von Heinrich Otto gegründet, welches aufgrund von Unwettern und Ernteausfällen für eine Wirtschaftskrise verantwortlich war. Nichtsdestotrotz versuchte Heinrich Otto, der aus einer gut bürgerlichen Familie stammte, sein Glück und gründete die Otto & Söhne GmbH als Textilunternehmen. Dank kluger Entscheidungen und seinem kaufmännischen Geschick, konnte das Unternehmen schnell erste Erfolge verbuchen und wuchs auf insgesamt neun Niederlassungen an. Hauptstandort blieb und ist das Hauptgelände in Unterboihingen, nicht zuletzt aufgrund seiner strategisch wichtigen Position am Neckar. Dass das Textilgewerbe damals ein florierendes Geschäft darstellte, ist nicht nur an den hohen Absatzzahlen und Gewinnen zu erkennen, sondern auch, dass sich andere Gewerbe daraus entwickelten. Beispielsweise war der Sohn eines Apothekers, der von HOS beauftragt wurde, Farbstoff herzustellen, der Mitbegründer von BASF, einem weltweit agierenden Chemiekonzern. Durch die hohe Nachfrage an Maschinen wurde der lukrative Industriezweig des Maschinenbaus erschaffen. Infolgedessen brachten diese sogenannten Primärgewerbe, also die Industrien erster Stunde sehr viel Wohlstand. Vor allem schufen sie viele Arbeitsplätze, denn zeitweise beschäftigte die Textilindustrie mehrere hunderttausend Mitarbeiter deutschlandweit.  Heute ist dies allerdings nicht mehr so. Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und den damit zu hohen deutschen Lohnkosten – in Asien kann zu einem Bruchteil des Preises produziert werden – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie, als keine Aufträge mehr existieren, musste der Entschluss gefasst werden, die Produktion zu schließen.

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